Die Wiener Perspektive – Univ. Prof. Dr. Matthias Preusser, Wien
Prof. Matthias Preusser, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie an der Universitätsklinik für Innere Medizin I der Medizinischen Universität Wien, brachte die Perspektive seines Zentrums bei frühen klinischen Studien ein, die er durchwegs als Innovationstreiber bei der Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten für Patient:innen einordnete. Die Studienzentrale stellt dabei das Bindeglied zwischen den Sponsoren laut Arzneimittelgesetz (sowohl bei Investigator Initiated Trials also auch bei von der pharmazeutischen Industrie initiierten Studien) und Studienpersonal dar.
Noch herausfordernder als bei Studien der Phasen III und IV stellt sich bei frühe Phasen Studien das Einhalten aller Regularien und SOPs dar, das Aufbringen der notwendigen Zeitressourcen und damit der hohe Einsatz von Studienpersonal z.B. für aufwendiges Sampling von PK/PD Proben, die sich diesen Studien widmen können, aber auch das Vorhandensein von zusätzlichen Kapazitäten wie Betten auf Normal- und, je nach Protokoll, auch Intensivstationen.
Am MedUni Campus des AKH Wien ist eine auf frühe Phase Studien spezialisierte Organisationseinheit in Entstehung und wird in Zukunft den Standort stärken. Wünschenswert und für den Studienstandort Österreich wichtig wäre auch eine verstärkte öffentliche Förderung früher klinischer Studien.
Diskussionsrunde aller Vortragenden
Im Anschluss an die Vorträge wurden die Chancen und Herausforderungen der frühe Phase klinischen Studien in der Onkologie in Österreich von allen Sprechern lebhaft diskutiert.
Die Studien bedeuten vor allem weitere Behandlungsmöglichkeiten und damit Chancen für bereits stark vortherapierte Krebspatient:innen. Die behandelnden Ärzte und Ärztinnen haben die Möglichkeit, früh an der Entwicklung eines potenziellen neuen Medikaments mitzuarbeiten und im Austausch mit den anderen Prüfzentren weltweit und dem Sponsor ihre Sichtweise und Erfahrungen einzubringen und die Prüfprotokolle mitzugestalten (wissenschaftlich interessant, Publikationsmöglichkeiten). Herausfordernd sind u.a. der hohe Zeit- und Ressourcenbedarf, der Aufwand für das Pre-Screening einer teilweise großen Zahl an Patient:innen für wenige in den Kohorten der Phase 1 Studien zuteilbare Behandlungsslots, inkl. der damit verbundenen Planbarkeit, der Umgang mit bisher möglicherweise noch nicht bekannten Nebenwirkungen sowie die zeitnahe Dateneingabe. Besonders wichtig in diesem Kontext ist außerdem die kontinuierliche und aktive Kommunikation und Abstimmung mit dem Sponsor und den anderen Zentren.
Auch die Kosteneinsparung von Medikamentenbudgets durch klinische Studien wurde diskutiert, die dem Krankenhausträger zugute kommt. Andere aktuelle, globale Themen, wie der US Inflation Reduction Act bzw. die Patentlaufzeiten waren ein weiteres Thema der Diskussion, ebenso wie die datenschutzkonforme Nutzung von aggregierten medizinischen Daten, die im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung auch in diesem Bereich gewonnen werden.
Alle Diskutanten waren sich darüber einig, dass ein verstärktes öffentliches Bewußtsein für den Wert klinischer Studien für Patient:innen, für die Bürger:innen eines Land und dessen Gesundheitssystem wichtig wäre. In der Folge sollte eine Infrastruktur für eine erfolgreiche Arzneimittelentwicklung geschaffen und erhalten werden, um innovative Behandlungsmöglichkeiten bereits jetzt im Studiensetting als auch in Zukunft im klinischen Alltag zu ermöglichen.